#38

Mein Name ist Jens Müller. Ich hatte bereits erwähnt, dass ich diesen Namen nicht spektakulär finde. Dieses Gefühl zieht sich durch die Betrachtung meines ganzen Lebens fort. Insofern ist es vielleicht nicht das schlechteste, eines Morgens Roxy Ramirez beim Beischlaf, Pissen und Hausfriedensbruch zu überraschen und fortan einen treuen Begleiter zu haben. Wer wen begleitet, sei einmal dahingestellt.

Dennoch können mir soziale Kontakte nur gut tun. Seit meinen Studienzeiten, in denen diese schon recht spärlich gesät waren, hat sich mein Sozialleben zu einer nichtexistenten Worthülse entwickelt. Ich kehrte zurück ins elterliche Haus, dessen Freudlosigkeit durch meine Abwesenheit nicht beschädigt worden zu sein schien. Eine Beziehung zu den Eltern war unter den Vorzeichen immer schwierig. Der Kampf ums Überleben, wie sie sagten, hat sie vollends in ihren Bann gezogen. Ihre Versuche, mich da mit hineinzuziehen, mussten scheitern. Schließlich sollte ich es nach ihrem Bekunden einmal besser haben. Seltsam, dass sie sich dafür denselben Lebensweg ausgedacht hatten, den sie selbst dereinst eingeschlagen hatten. Nur jetzt ohne Gründergeist, Aufbruchstimmung und jugendlichem Optimismus. Dafür belastet mit Hypotheken, Investitionsstau und Pessimismus.

Dass ich mich zudem in eine völlig andere Richtung entwickelt hatte, schienen sie nicht wirklich ernst zu nehmen. Oder sie nahmen es garnicht wahr. Wie sie mich und meine Bedürfnisse wahrscheinlich nie wahrnahmen. Der Begriff Eltern reduzierte sich auf eine Funktion, die das Überleben des Nachwuchses zu sichern hatte. Darüber hinaus war die Elternschaft durch eine bemerkenswerte Fantasielosigkeit geprägt. Was kann man erwarten? Wenn es selbst um das eigene Überleben geht, ist es dann nicht verständlich, dass Freude und Liebe zunächst einmal hinten anstehen?

Du wirst es einmal besser haben. Wenn ich einmal groß bin. Vertröstung auf eine diffuse Zukunft, ein vages Versprechen auf die Erfüllung dessen, was so erstrebenswert erscheint, Wohlstand und Sicherheit. Wo noch nicht einmal das Leben im Kleinen gelingt, wenn nicht einmal engste Familienbeziehungen aufgebaut werden können, was soll in Zukunft gelingen? Warum nehmen die Menschen nicht das, was sie haben? Jetzt sind sie tot. Ich habe nichts und hatte mich damit eingerichtet. Vor diesem Hintergrund war das die erste Leistung. Bis Roxy Ramirez auftauchte.